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phasetrace by Georg Gaigl

watching phasetrace

Auf Instagram zeigt Georg Gaigl in 12 Bildern in zwei Sekunden seine „two-second-flicks“ im neuen Format von minimalistischen Filmskizzen. Die handelnden Figuren sind freigestellt vor einem monochromen Hintergrund. Die Titel sind oft verfremdete Zitate wie zum Beispiel saying alive und werden auf der begleitenden Tonspur eingesprochen sowie manchmal auch im Film grafisch wiedergegeben. Die Sujets bestehen aus mehr oder weniger deutlich erkennbaren Bezügen zu aktuellen Themen der gegenwärtigen Medienlandschaft. Bei phasetrace – was formal auch eine Reminiszenz zu Georg Gaigls Zeit als Videojockey darstellt – orientiert er sich an die Bildfolgen von Eadweard Muybridge, der mit seiner Chronofotografie die Bewegungen eines galoppierenden Pferds im Bild festhielt, um sichtbar zu machen, was außerhalb der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit liegt. Aber vermutlich sind die flicks dem von Muybridge später entwickelten Zoopraxiskop noch ähnlicher, mit dem er die einzelnen Aufnahmen auf einer Leinwand als Bewegungsverlauf darstellte. Aber egal von welcher Seite man sich den kurzen Sequenzen annähert: man hat es hier mit einer filmischen Form des Auslassens zu tun, die Lücke wird zum Prinzip. Auf seiner Website fügt Gaigl den Untertitel „communicating the future“ hinzu. Das provoziert die Vorstellung, dass, wenn in ferner Zukunft diese Dateien ‚gelesen‘ werden, aus diesen bewusst lückenhaften Bild-Informationen variable, instabile Konstruktionen über unseren Alltag möglich sind. Vergleichbar zum großen Vorbild aller Memoria-Kunst, dem Mnemosyne Atlas des Kunsthistorikers Aby Warburg, sind diese Kürzest-Filme Teil eines kulturellen Gedächtnisses, die in einem Mix aus Bild und Ton jede Festschreibung verunmöglichen: sie sind ein spielerischer Umgang mit Auslassungen, Ähnlichkeiten und Differenzen. Mit dem kollektiven Bewusstsein und vor allem mit dem kulturellen Gedächtnis beschäftigt sich auch der portugiesische Künstler Julião Sarmento. Seine bewusst fragmentarisch gestalteten Zeichnungen sind in einer Ästhetik gehalten, die man mit den Figuren in phasetrace vergleichen kann – zum Teil gibt es nur Umrisse von Personen ohne Gesichter, die gleichzeitig verschwinden und wieder erscheinen – und wie bei Gaigl könnte es sich manchmal um ein Fragment aus einem film noir handeln. Beide – Sarmento und Gaigl – benutzen visuelle Quellen, die sich aus einer persönlichen Ikonographie sowie aus einem gemeinsamen kulturellen Gedächtnis speisen. Der neutrale monochrome Bildhintergrund der flicks wirkt wie ein Palimpsest des Ungesagten, der Abwesenheit. Georg Gaigl benutzt – nach Umberto Eco – das ‚offene Kunstwerk‘ als Drehbuch, das fordert Interpretationen und erlaubt Ambiguitäten. Das Kunstwerk ist nur ein Echo, ein Detail. Wie viele spielerisch anmutende Werke verbinden die flicks eine gewisse Attitude der Lässigkeit mit engagierter Gedankentiefe. Die Bedeutung liegt hinter einer Bilddatei.

Andreas Backoefer

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